Zum Umgang mit Anita Sarkeesian und Co.

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FR1GHTZ0NE
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Zum Umgang mit Anita Sarkeesian und Co.

Beitrag von FR1GHTZ0NE »

Liebe 4players-Community,

Gerne möchte ich mit Euch über die teils heftige und hochgradig emotionsgeladene Kommentarkultur diskutieren, die in Foren entstehen kann, wenn die Themen Feminismus und Videospiele aufeinanderprallen. Im besten Fall haben wir am Ende einen verlinkbaren Leitfaden für zukünftige dieser Auseinandersetzungen, und im schlimmsten Fall artet es gewohnheitsgemäß aus. ;)
Ich habe übrigens kein Interesse daran, jemanden für seine politische Haltung zu diskreditieren, mir geht es vielmehr darum aufzuzeigen, dass individuelle Meinungen stark von gesellschaftlichen Entwicklungen und Krisen geprägt sind.

Im 20./21. Jahrhundert erleben wir eine Veränderung, die bis auf wenige Ausnahmen vollkommen neuartig im gesamten Verlauf der Menschheitsgeschichte ist: Den Prozess der Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Er modifiziert erstmalig ein gesellschaftliches Ordnungssystem, das den Alltag der Menschen seit Tausenden von Jahren bestimmt hat: Das Patriarchat, bei dem „der Mann eine bevorzugte Stellung in Staat und Familie innehat und bei der in Erbfolge und sozialer Stellung die männliche Linie ausschlaggebend ist.“ (http://www.duden.de/rechtschreibung/Patriarchat).

Dieses von klaren Rollenbildern strukturiere Herrschaftsverhältnis verleiht Männern qua Geburt eine Machtposition, deren Selbstverständlichkeit in den letzten circa 50 Jahren vor allem in westlichen Demokratien zunehmend erodiert ist. Dieser Schwund von Privilegien findet überdies in einer Ära der Unsicherheit statt, die aus der Weltwirtschaftskrise ab 2007 hervorgegangen ist.

Der Rechtsruck in Europa ist ein Symptom dafür, dass viele Menschen ihre Gesellschaft von den Problemen „bereinigen“ lassen wollen, die sie als ursächlich für ihre Ängste ansehen. Rechtspopulistische Parteien versprechen ihren Wählergruppen einen Nationalstaat, in dem die einschüchternden, globalen Umwälzungen zum Stillstand kommen oder sogar rückgängig gemacht werden. Klassische Feindbilder dieser Ideologie finden sich meistens in politischen Strömungen und/oder Minoritäten wieder, die als Gefahr für einen völkischen Zusammenhalt und als verantwortlich für den Verfall von christlich-konservativen Werten identifiziert werden: Immigration, Islam, Homosexualität und eben auch Feminismus. Die postulierte Ablehnung muss indes nicht zu 100 Prozent all diese Bevölkerungsgruppen und Begriffe gleichzeitig einschließen und kann sie gegebenenfalls auch gegeneinander ausspielen. So hat die AfD in ihrer letzten Wahlkampfkampagne zum Beispiel die Freiheit der deutschen Frau als eine skizziert, die von Migranten gefährdet ist (http://bilder.t-online.de/b/77/14/17/10 ... erden-.jpg).

Die Welt der Videospiele stellt wie fast alle gesellschaftlichen Räume eine männlich geprägte Subkultur dar, die aus kalkulierbaren und etablierten Gewohnheiten besteht und so Freude, Zusammenhalt und Sicherheit generiert. Kritik, die an dieser Gemeinschaft geäußert wird, beinhaltet immer die Gefahr, sie nachhaltig und unumkehrbar zu modifizieren. Anita Sarkeesian wird in diesem Zusammenhang als aggressive Repräsentantin eines gesellschaftlichen Diskurses wahrgenommen, der mittlerweile selbst den privaten Raum unserer Freizeit einnimmt und infrage stellt.

Sie ist als Feministin Teil einer politischen Bewegung, die sehr komplex und vielschichtig ist, deren Befürworterinnen polemisch jedoch häufig als „Feminazis“ über einen Kamm geschert werden. Darin steckt die Vorstellung einer totalitären Gewalt, die Individuen ihre Art zu denken und zu leben aufzwingen will. Anita Sarkeesian weist in ihren Videos auf dieselben Missstände und Machtasymmetrien hin, die in unseren gesellschaftlichen Strukturen existieren und sich in Subkulturen weitaus hartnäckiger halten als im öffentlichen Mainstream. Da Videospiele ihr Nischendasein zum Glück hinter sich lassen und Videospielfirmen gesellschaftlichen Wandel in ihre Spiele einarbeiten, erleben Gamer plötzlich, wie auf ihren Monitoren veränderte Frauenbilder auftauchen und ferner beispielsweise Homosexualität sichtbar gemacht wird.

Klassische Männlichkeit erlebt gleichberechtigte Weiblichkeit zwangsläufig als drohenden Machtverlust, der bis in die eigene Sexualität vordringt, die noch immer die privateste aller Domänen ausmacht. Eine von Anita Sarkeesian häufig hervorgebrachte Kritik ist die Darstellung von Frauen als Sexobjekte. In patriarchalen Gesellschaften hat der Mann natürlich auch Macht über den Körper der Frau, mehr noch als sie selbst. Die Darstellung von Weiblichkeit ist über Jahrtausende geprägt worden von ihrer sexuellen Verfügbarkeit im männlichen Blick. Der moderne Mann erlebt gerade mit, wie er seine sexuelle Dominanz verliert. Frauen sind dabei, ihre Schönheitsideale teils als Machtinstrument zu entdecken und für sich erobern. Das erklärt auch, warum Anita Sarkeesian schlimmstenfalls Vergewaltigungsfantasien auslöst: Darin liegt die Überzeugung, die heterosexuell begehrte Frau auf diese aggressive Weise wieder zu einem Objekt zu machen, das dem eigenen Geschlecht ja traditionell ohnehin unterworfen ist.

Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Anita Sarkeesians Äußerungen als nervig, anstrengend, übertrieben und polemisch beschrieben und darüber hinaus der als allgemeinhin zu dogmatisch empfundenen Gruppe der „Social Justice Warriors“ zugeordnet werden, die Rassismus, Sexismus, et al. anprangert. Es ist legitim, diese auch als „Political Correctness Police“ betitelte, liberale Bewegung zu kritisieren, da sie nicht frei ist von einem zeitgenössischen und omnipräsenten Optimierungs- und Flexibilisierungswahn. Gleichzeitig sollte man sich vor Augen halten, dass die geläufigste Form von starker Gegengewalt in Foren gegen radikale Liberalisierungstendenzen eine Ideologie widerspiegelt, die vor allem von großen und ernstzunehmenden Verlustängsten geprägt ist.

In einem therapeutischen Sinne kann Selbsterkenntnis nur dann erfolgen, wenn der Patient die eigenen Ängste behutsam konfrontiert, ohne dabei das Gefühl zu bekommen, dass ihm der Boden unter den Füßen weggerissen wird. Zurecht erleben viele Menschen die aktuellen Paradigmenwechsel als Zerstörung ihrer kulturell gewachsenen Identität. Sozialabbau, Politikverdrossenheit und die Abstinenz einer allseits akzeptierten Form der Gesellschaftskritik verschärfen diesen Zustand noch.

Wenn man sich damit nicht in Lebensgefahr begibt oder traumatisiert, dann kann die Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten allerdings zumindest den Zweck erfüllen, uns die oben genannten Zusammenhänge aufzuzeigen und unsere Kommentarkultur in der Folge hellsichtiger werden zu lassen.

In diesem Sinne,

WELCOME TO THE FR1GHTZ0NE!

:)
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Supabock-
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Re: Zum Umgang mit Anita Sarkeesian und Co.

Beitrag von Supabock- »

Moin,

da dieses Thema wie Du schon ganz richtig gesagt hast, bereits diverse Male schlimmst eskaliert ist,
werde ich dieses Thema schließen und wir werden im Mod-Team Diskutieren, ob und wie eine solche Diskussion zu diesem Thema möglich ist. Keiner hat Lust sich hier das ganze WE durch Dutzende Meldungen zu wühlen und die abzuarbeiten.

Thread daher ERSTMAL geschlossen.
Schöne Grüße, Supabock
boom

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