
Ich bin quasi eine Art Zeitreisender in Sachen Computer- und Videospiele. Mit 16-18 Jahren, irgendwann um das Jahr 2002 herum, habe ich aufgehört, mir Konsolenspiele zu kaufen. 2010 hatte ich wohl zuletzt einen PC, der aktuelle Spiele darstellen kann. Seither hatte ich durchaus häufig und intensiv gezockt. Nur eben vorwiegend die alten Spiele meiner Gaming Frühzeit. Denn ich hatte nur gebrauchte Laptops, die alle 2-3 Jahre mal ausgetauscht werden mussten und wenig auf dem Kasten hatten. Vor einem halben Jahr aber, habe ich mir dann doch auf meine alten (naja gut) Tage eine gebrauchte PS 4 Slim gekauft. Und mir vorwiegend Rollenspiele gekauft, denn dies war seit Anbeginn mein liebstes Kind; zudem ist es auch das Genre, welches am Öftesten vom hiesigen Skalierungs-Phänomen betroffen ist.
Diesen einschläfernden Epilog habe ich deshalb zum Besten gegeben, um zu verdeutlichen, dass ich wahrlich von der Steinzeit direkt nach Utopia transferiert wurde, als ich die ersten Spiele auf der PS4 konsumierte. Vor drei Wochen zum ersten Mal Skyrim, was bin ich doch für ein Kulturbanause! Damit bin ich allerdings ein brauchbarer Kronzeuge einer Entwicklung, die vielleicht sonst nicht so glasklar, da schleichend im Prozess, vor Augen tritt.
Anderes ist mir im Übrigen unlängst aufgefallen: Remakes (Secret of Mana, Tomb Raider 1) sind wesentlich leichter, als die Originale und solche Beobachtungen (habe ich nicht gekauft, aber die Fanforen durchgelesen, da ich interessiert war) sind in unserem weiteren Kontext durchaus bezeichnend. "Rollenspiele" müssen dabei gefühlt alle 5 Minuten epische Schlachten gegen Drachen beinhalten, es ist nicht mehr zumutbar, mal eine halbe Stunde nur Goblins zu erlegen. Innerhalb der Zeitspanne, bis Fertigkost in der Mikrowelle durch ist, müssen auch zwingend neue Videosequenzen erscheinen und es braucht Maximallevel jenseits der 1000, damit auch bei jedem gemütlichen Umfletzen auf der Couch eine Progression spürbar bleibt und wir weiter gebannt vor der Kiste hocken. Relevante Entscheidungen, die sich auf die Spielwelt auswirken? Also bitte, wo lebt denn dieser Hinterwäldler? Ist doch eine Mordsgaudi, zugleich der Chef der Magier- Kämpfer und Diebesgilde zu sein. Ja, ich übertreibe mit den quantitativen Vermerken und bin sowieso ein übler Baldurs Gate Reaktionär.
Zusammengefasst mögen auch dies unerfreuliche Befunde sein, die mit dem Strangtitel korrespondieren. Es soll aber außen vor bleiben. Wir wollen uns nur auf die Skalierung konzentrieren, da dies die absolut größte Katastrophe ist, die man Computer- und Videospielen nur antun konnte. Betonung liegt auf dem Bereich; mein Leben hängt freilich nicht daran.
Widmen wir uns dem präventiven Einwandsverhinderungsgeraune zu:
Kann sein, dass es in Online-Spielen sinnvoll ist, die interessieren hier aber nicht, es geht uns nur um Spiele, die vorwiegend aufgrund des Einzelspielermodus frequentiert werden.
Desweiteren: Ja, das Genöle der älteren Computerspieler über die jüngere Generation ist eine Erscheinung, die gibt es wohl, seit dem Computer/Konsolenspiele ihren ersten wirklichen Durchbruch in westlichen Gefilden in den 80er Jahren hatten. Wer in den Neunzigern mit Spielen groß wurde, wurde von denen, die 5 Jahre vorher mit dem Spielen anfingen, als nur noch die Grafik bevorzugender, oberflächlicher Prolet betrachtet. Seither hat sich an diesen Kinkerlitzchen, wer denn nun der wahre Philosoph unter den Spielern ist, wenig getan.
Aber das Skalierungs-Flickschusterei scheinbar völlig kritiklos hingenommen wurde, in keinem Test über Spiele überhaupt eine Erwähnung wert ist, weil das ja vielleicht einigen Spielern jedes Spiel, auch der mithin heißeste Sch... mit 90 Prozent Wertung komplett verhagelt, ist jawohl durchaus eine singuläre Bankrotterklärung. Zumal ich es kaum verifizieren kann, aber gefühlsmäßig davon ausgehe, dass eine Majorität von Skyrim oder Fallout-Spielern überhaupt nicht weiß, was Level-Skalierung ist. Zumindest findet Google lediglich einige hitzige Diskussionen in halb-toten Rollenspielforen.
Final und eingedenk: Ja, es ist nicht ganz so neu, ich habe ja ein bisschen recherchiert. Die Wizardry-Reihe aus den Neunzigern hatte es. Auf dem SNES das Super Mario RPG. Es betraf sogar auch ein D&D RPG von vor 30 Jahren. Vermutlich, da muss dann doch wohl ein hauptberuflicher Videospiel-Redakteur mal die Archive durchwühlen - gab es das schon immer bei vielleicht 5 Prozent der Spiele, die eine Level- oder Fähigkeiten-Progression erlaubten.
Und auch wenn ich eingestehe, dass es noch viele aktuelle Rollenspiele gibt, die diesen Irsinn nicht mitmachen, wie etwa ein überragendes Kingdom Come Deliverance, so ist meine Hypothese: Die Obsidian-Spiele (Bei denen ich übrigens immer das Gefühl habe, wenn ich Skyrim spiele, kenne ich auch Fallout 4 und wenn ich Fallout 3 einlege, weiß ich, was Oblivion ist, nur eben einmal mit Trollen und einmal mit Mutanten) sind die Benchmark. Diese Spiele verkaufen sich wie geschnitten Brot und haben wohl mehr wiki-artige Wissensartikel als ein Land wie Tibet im Internet. Wer RPGs produziert, wird sich immer mehr von den Mechaniken der Obsidian Welten abschauen, wenn auch, wie stets, Nischen verbleiben mögen. Dies führt dazu, dass die Zahl der Spiele mit Level-Skalierung regelrecht explodiert, auch Genres mit verwandten oder einzelne von RPGS aufgreifende Spezifika. Der größte Witz des 21. Jahrhunderts: Das Spiel, welches für kein Zweites phänotypisch für reines aufleveln um des aufleveln Willens steht, also die Diablo-Reihe hat beim dritten Teil eine Level-Skalierung! Bei einem Pillars of Eternity, also einem Spiel, dass mehr für die in der Regel finanzstärkeren "Alten", die von der verlorenen Kindheit träumen, gebaut wurde, gibt es zumindest eine Option, dies als "Feature" hinzu-zuschalten. Es wird also zunehmend gruselig und die Zukunft ist absehbar.
Warum heult der alte weiße Mann hier nun eigentlich so herum? Dazu abschließend eine Konklusio, weshalb dies jedes Rollenspiel mit Skalierung - hat es auch noch so viele andere Stärken- absolut zerstört. Mir ist bewusst, dass die Mechanik in jedem RPG, welches diese Teufelei beinhaltet, anders ist, einige Indikatoren mehr greifen, als dass es nur darauf hinausläuft: Charakterlevel 10 = Gegnerlevel 10. Aber es geht ja nicht um ein einziges Spiel, sondern generell um das Phänomen und letztlich läuft es doch auf obige Gleichung, abseits einiger Feinheiten, hinaus. Das beste Gegenargument, was mir in den Tiefen des Internets begegnete, möchte ich dabei als Erstes herausgreifen.
Es wird gesagt, irgendwann mit Level 3501 gibt es in Spiel XY keine Herausforderung mehr. Mit Level 3498 war noch alles cool, aber nun haut man alles weg und hierbei hilft die Skalierung (sofern ohne Maximallevel, eher eine Rarität), damit das Spiel spannend bleibt. Dieses Argument kann man nicht stehen lassen. Denn um diesen Effekt zu erreichen, muss 98 Prozent der Spielzeit völlig entwertet werden. Auch sollen Rollenspiele groß und episch sein. Ich bin durchaus ein großer Freund davon, wenn man sich 100-150 Stunden mit einem RPG beschäftigen muss, um alles zu sehen. Aber: Es macht keinen Sinn, von 100 Stunden 95 zur Belanglosigkeit zu verdammen, damit das eine Prozent an Spielern, welches utopische Level erreicht, noch ein paar Stunden mehr Spielspaß herausquetscht. Außerdem ist es ein Spiel, man sollte da nicht seine restliche Lebenszeit drin einrichten und da ist es nun mal so, dass Computerspiele so konzipiert sind, dass man irgendwann alles gesehen und erreicht hat. Wer sich damit bei dem Lieblingsspiel nicht anfreunden kann, der sollte mal häufiger das Spiel des realen Lebens beginnen. Denn dort wird man definitiv nie alle Quests erfüllen und die höchste Stufe erklimmen.

Noch was fällt ein: Es wird gesagt, es sei generell die ganze Spielzeit über fordernder. Nein, definitiv nicht. Schwerer sind immer - bleiben wir bei Open-World- die Spiele ohne Skalierung, wie Gothic, Dragons Dogma, Kingdom Come Deliverance. Ich habe, als ich Skyrim vor einigen Wochen anfing (ihr merkt schon, mein Lieblingshass-Spiel, seitdem ich es gekauft habe) gleich auf legendär begonnen auf der PS4 und mir dazu Hardcore-Permazones runtergeladen, weil ich schon den Instinkt hatte, dass ein Spiel, was so erfolgreich ist, eigentlich nur Kinderkacke sein kann.

Die bittere Wahrheit ist doch, es ist 90 Prozent der Spieler nicht mehr zumutbar, in eine Region zu gelangen, in denen sie keine Chance haben und ein höheres Level benötigen. Sowas geht ja gar nicht! Eeey, Open World oder was? Was für ein, jede Atmosphäre killender Irrsinn. Wundert mich, dass man bei Skyrim am Anfang nicht gleich direkt auf den höchsten Berg kommt, weil da eine magische Wand oder derlei ist. Das wurde zugemutet? Wo sind die Mods, die mich direkt auf die Spitze teleportieren? Sensationell.
Es gibt in Rollenspielen, vier, fünf wichtige Punkte, die in der Regel über die Klasse entscheiden. Als Taugenichts starten, der irgendwann die Welt aus den Angeln heben kann, war eigentlich immer inkludiert. Es gehört zur DNA von Rollenspielen, wenn greift, dass man mit der Zeit stärker wird. Dies ist so, seitdem zottelige Nerds vor 40 Jahren an ihren Brettspielen saßen. Dies wurde einfach, im Vorbeigehen, ohne dass es anscheinend irgend eine größere Spielergruppe stört, auf den Müllhaufen der Geschichte entsorgt. Zumindest, was sogenannte Triple-A Produktionen angeht, die natürlich kleinere Projekte langfristig auch beeinflussen werden.
Es gibt, wie ich das in entsprechenden Themen erkannte, eine große Gruppe von Spielern, die sich sagt: Wenn es gut umgesetzt ist, mag es in Ordnung sein. Für mich gibt es da keine Kompromisse, aber auch dies sei gesagt: Wie ich die Reaktionen ablas, ist es nur in ganz wenigen Spielen "gut integriert", die meisten scheitern krachend. Das berühmteste Beispiel betrifft sicher die Banditen mit Daedra-Rüstung in Oblivion.
Es hat dann auch oft Gegnergruppen oder Zonen mit einem Maximallevel. Dies bedeutet: Ich mache solange Nebenquests, bis ich befähigt bin, mit diesem Level der stärksten Kreaturen im Spiel zu konkurrieren. Dann kann ich alles beiseite schieben, denn was kommt ist zur Belanglosigkeit verdammt. Jeder Loot, jeder Erfahrungsschub, jedes Dungeon, welches man aufsucht, kann nichts bieten. Es gibt keinen Grund mehr und keine Belohnung für Ausdauer, denn merkwürdigerweise ist mein Charakter ja der Mittelpunkt der Welt, an den sich alles anpasst.
Während es aber schon sämtliches Eintauchen in diese Spiele verunmöglicht, weil von Anfang bis Ende alles gleich bleibt vom Schwierigkeitsgrad, so gibt es oft sogar den noch Effekt, der noch lächerlicher ist: In Rollenspielen gab es in grauer Vorzeit nicht nur die drei Standardklassen, sondern meinetwegen Barden. Da solche Klassen oft etwas skillen müssen, was nicht primär den Kampfwert betrifft, werden solche eben so bestraft (da die Gegner nur bei Kampfwerten leveln) wie jene Spieler, die eben in "Hilfsfertigkeiten" investieren, die in Randaspekte wie Diebstahl oder Tränke mixen, ihre "Punkte" reinstecken. Und da letztlich, früher oder später ein Jeder ein wenig in Abseitiges investiert, auch der größte Krieger-Spezialkraft-Build, werden alle geneigten Spieler mit höherem Level sogar schlechter. Gäbe es keine Minimal- und Maximallevel von Gegner - dies ist ja manchmal implentiert- könnten wir in der Tat sagen: So, dass Spiel ist gestartet, ich bin im ersten Dorf und habe nur mein erstes Bauernkleid als Rüstung sowie einen Holzknüppel. Und: Stärker und mächtiger wird man in dem Spiel nicht mehr, man ist im Zenit der Macht! Die Idiotie muss doch irgendwie klar werden, oder nicht?
Liebe Leute, ich will keine Seminararbeit schreiben, also ende ich hier. Aber ich muss es knallhart sagen (und es hat noch andere Gründe, außer "Skalierung"). Das, was ihr da begeistert spielt, ist vielleicht ein riesiger Sandkasten mit The Sims 1.0 Funktionen und Beat em Up Anleihen. Aber diese Open World-Teile sind alles, nur keine Rollenspiele und erst Recht keine, wie viele Gläubige meinen, "komplexen". Erinnert ihr euch noch an "Fu ruft Fara" in der ersten Klasse? Auf diesem Niveau pendeln sich diese Spiele in etwa ein.
Und es wäre übrigens ein Wunsch, dass bei Spieletests künftig in einem kleinen Kasten zumindest eine Skalierung ja/nein Angabe einsehbar ist, vielleicht gibt es für so ein Ansinnen ja einen "Markt".