VaniKa hat geschrieben: ↑25.07.2021 11:44
Weil hinter "alter weißer Mann" das Konzept steht, dass er alte patriarchale Denkmuster vertritt, weil er noch Zeiten erlebt hat, in denen Männer auch ganz offiziell den Ton in der Gesellschaft angegeben haben. Vor nicht vielen Jahrzehnten waren alte Rollenbilder noch viel mehr präsent und teils sogar rechtlich abgesichert. Es sind auch diese "guten alten Zeiten", denen manche da nachhängen und sich wünschen, dass Frauen wieder dahin gehen, wo sie ihrer Meinung nach hingehörten, hinter den Herd als Hausfrau, Mutter und Befriedigungsobjekt.
Es geht dabei übrigens nicht darum, dass alle alten weißen Männer diese Art von "alter weißer Mann" seien, genau so wenig wie "toxische Männlichkeit" Männlichkeit allgemein als toxisch bezeichnet, sondern nur den Teil, der eben gesellschaftlich toxisch ist, weil er Denk- und Verhaltensweisen beinhaltet, die Gift sind für ein gutes und respektvolles Miteinander.
Der "alte weiße Mann" ist ein "alter Herr", der eben "Altherren"-Witze macht, sich und sein Geschlecht Frauen überlegen sieht und sie lediglich als Sekretärin einstellen würde als sie bei Geschäftsverhandlungen mit am Tisch sitzen zu haben, geschweige denn, sie dabei haben zu wollen, wenn er eigentlich mit seinesgleichen nach dem Geschäftsessen noch eine Runde im Puff drehen möchte. Er nimmt sich als ein Harvey Weinstein heraus, Frauen sexuell zu belästigen und zu vergewaltigen, weil er glaubt, dass er alles machen kann ohne dafür belangt zu werden und ihm das auch zustehe. "Alte weiße Männer" sind die Männer, die immer noch glauben, dass ihnen die Welt gehört.
"Alter weißer Mann" ist ein Bild. Nicht jeder, der ein Mann, alt und weiß ist, ist ein "alter weißer Mann".
Und ganz ehrlich, genau diese Haltung, feministische Kritik als Angriff auf das gesamte männliche Geschlecht fehldeuten zu wollen, ist es auch, was mich immer wieder dazu bringt, mich in Threads wie diesen einzubringen. Und das ist meiner Ansicht nach auch der Grund, warum in den Medien das Thema eben auch immer wieder mit Nachdruck behandelt wird, weil es eben noch so viel Widerstand wie von Leuten wie dir gibt, die sich reflexhaft wehren, das alles für übertrieben halten und eben auch als Angriff sehen (wollen). Oder kurz: Solange jemand wie du "Nein" sagt, sagt jemand wie ich "Doch". Der Witz ist doch auch, dass es hier und anderswo genug Männer gibt, die sich nicht jedes Mal derart auf den Schlips getreten fühlen. Warum sehen die es nicht als Angriff auf sich selbst und ihresgleichen? Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass da einfach ein Missverständnis deinerseits besteht?
Das Problem ist nur, dass ein derartiges Missverständnis auch von einigen ganz bewusst herbeigeführt wird, weil sie eben wirklich diese "guten alten Zeiten" zurück haben wollen und schlichtweg reaktionär sind. Da werden dann gerne Strohmänner wie "männerhassende Feminazis" ins Feld geführt und leider findet man ja auf allen Seiten auch immer ein paar radikale Hardliner, die sich für so etwas nutzen lassen. Und wenn dann auf Twitter mal wieder alles eskaliert, hat man den vermeintlichen Beweis dafür, wie schlimm doch diese Feministinnen "wirklich" seien. Die Frage ist allerdings: Ist das nicht lediglich das Ergebnis eines bereits bestehenden Confirmation-Bias? Sollte man sich nicht fragen, woher der eigentlich kommt?
Ich beschäftige mich viel mit intrinsischen Motivationen und der Psychologie dahinter. Ich glaube schon, dass die Männer, die sich so reflexhaft gegen Feminismus wehren, das aus einem gewissen Entitlement-Gefühl heraus tun, das sie als Mann zeitlebens quasi mit der gesellschaftlichen Muttermilch aufgesaugt haben, ohne dass ihnen das wirklich bewusst ist. Man kann offiziell und rational eine bestimmte Haltung vertreten, aber eigentlich trotzdem irgendwie anders fühlen und ticken. Ich behaupte auch, dass wir hier als Nordwesteuropäer auch ein gewisses Entitlement-Gefühl gegenüber "Drittwelt"-Ländern hegen. Da steckt noch immer wieder "an unserem Wesen soll die Welt genesen" drin und auch ein Hauch Kolonialnostalgie. Und gerade in den USA wird Black Lives Matter aus genau dem Grund auch von Menschen abgelehnt, weil sie sich "irgendwie" ans Bein gepinkelt fühlen, wenn die PoC nicht auf "ihrem Platz" bleiben wollen. Viele kommen nach wie vor nicht damit klar, wenn sie Frauen oder PoC wirklich auf Augenhöhe sehen sollen.
Das Problem ist dabei, wie derartig unterschwellige Ressentiments dann rationalisiert werden, um diesem diffusen Bedrohtsehen des eigenen gesellschaftlichen Standes irgendwie zu begegnen. Wenn man sich dann einreden kann, dass sei alles übertrieben und haltlos, hat man einen Weg gefunden, auch offiziell eine Gegenposition einzunehmen. Ich kann nur empfehlen, das mal wirklich zu hinterfragen.