Brakiri hat geschrieben:Nach allem was ich so höre, darf man einfach keinen Meilenstein in der RPG-Geschichte erwarten.
DA war noch nie wirklich herausragend, dafür war die Eigenständigkeit der Welt, der Story und die Komplexität des Regelwerks immer viel zu gering.
Für mich ist das Spiel nach 24 Stunden definitiv schon ein Meilenstein der RPG-Geschichte. Ja, es hat viele offensichtliche Inspirationen. Ich sehe da ein bisschen Gothic, etwas Assassin's Creed, etwas Game of Thrones, ein wenig Herr der Ringe (nichts neues für die Reihe) - aber das Bioware ist hinter all dem auch nicht verschwunden. Zugegeben, moralisch war bisher nicht allzu viel. Allerdings bin ich nach den 24h auch erst an dem Punkt angelangt, an dem es anscheinend erst richtig losgeht...insofern gibt's da noch viel Gelegenheit, dass sich das ändert, nachdem ich in der Welt jetzt etwas anerkannter bin. Man fängt als ein Niemand an, der sich erstmal beweisen und etwas Kult-artiges zu was großem aufbauen muss, da würde ich jetzt auch nicht erwarten, dass man der Person große Entscheidungen überlässt. Abseits von moralischen Entscheidungen ist das aber ein Bioware-Titel wie eh und je. Und diesmal hat man so richtig das Gefühl, dass den Leuten da Zeit gegeben wurde, all ihre Ideen im Spiel zu verwirklichen. Es gibt so viel Detailreichtum, so viele spannende Kleinigkeiten, so viel zu tun. Man ist schon fast erschlagen vor Optionen, und hinter jedem Baum scheint irgendetwas versteckt zu sein. Selbst die Barden in der Taverne haben quasi ein ganzes Musik-Doppelalbum im Reportoire mit eigens für das Spiel geschriebenen Stücken. Wo gibt es sowas sonst?
Den nahezu vernichtenden Test kann ich wirklich nicht im geringsten nachvollziehen, zumal Sachen kritisiert werden, bei denen ich wirklich nur den Kopf schütteln kann, weil es für mich Nichtigkeiten sind. Beispiel: Die Welt ist zu statisch? Ich habe selten ein Spiel erlebt, bei dem sich die Welt so stark aufgrund meiner Aktionen verändert. Schon am Anfang der Hinterlande ist das sinnbildlich, wenn an einem ehemals kaputten Kampfschauplatz ein ganzes Dorf glücklich miteinander quatscht. Welche Spiele sind da denn jetzt groß besser? Wird hier ernsthaft erwartet, dass die Figuren ausgehungert oder vollgefressen aussehen je nachdem, ob ich denen jetzt ne Ladung Fleisch geliefert habe, oder was? Ich merke schon sehr häufig anhand von Kommentaren und ähnlichem, dass ich etwas bewirkt habe. Das ist etwas, was ich sonst von kaum einem anderen Spiel kenne.
Auch sonst sind zwar viele Kritikpunkte im Test richtig - das sind aber meist Kleinigkeiten, die meiner Meinung nach niemals so einen großen Batzen eines Tests ausmachen und die Wertung dermaßen runterziehen sollten. Ja, viele Quests sind nur "Gehe von A nach B und töte X". Aber sie sind nur Optionen, an Macht zu gelangen, und kein Muss. Das ist ein bisschen, als würde man ein richtig schönes Festmahl mit einem Glückskeks serviert bekommen, nur um sich dann über den Spruch des Glückskekses zu beschweren, während man das Festmahl im Nebensatz erwähnt. Auch finde ich es selbstverständlich, dass die Figuren nicht alle irgendwelchen tollen Tagesverläufen nachgehen. Selbst im Test wurde ja angemerkt, wie riesig die Welt ist, selbstverständlich gibt es dann auch einige Abstriche im Detailgrad. Mir ist es da auch schlichtweg nicht wichtig, ob eine Person verlässlich am gleichen Ort anzutreffen ist oder ob sie nun irgendeinem realistischen Alltag nachgeht. Das ist ohnehin ein feature, das immer groß beworben wird, für mich aber marginal für den Spielspaß ist.
Für mich bleiben vor allem andere Punkte zentral: Man hat eine riesige, abwechslungsreiche und schön gestaltete Welt; nach wie vor tolle Begleiter mit vielen Gesprächen; eine wuchtig inszenierte Hauptgeschichte (die schon nach ca. 20 Stunden Gesamtspielzeit mit fast nur Nebenquests einen Höhepunkt erreicht hatte, der besser ist als die meisten Enden anderer Spiele, und dann mit einem "So this is where it begins." endete); und zu guter Letzt Optionen ohne Ende, um das Spiel mit eigenem Tempo anzugehen. Keine Lust auf Sammelquests? Kein Problem, mach stattdessen was anderes oder erkunde einfach nur die Welt und nimm dabei mit, was geht. Genug Macht, um die Hauptgeschichte voranzutreiben, bekommt man auf verschiedene Weisen.
Wo ich bisher zustimmen kann (was auch gravierende ist) ist, dass es relativ wenig interessante Nebenaufgaben gibt (vielleicht kommt da ja noch was - wie gesagt war es bisher schon ganz schlüssig, dass ich diese eben nicht bekomme), aber das wird mit genug Dingen kompensiert, um das Spiel für mich schon jetzt auf den "Spiel des Jahres"-Thron zu stoßen.