Ui, ich hätte den Thread wohl doch nicht so schnell abschreiben sollen *g*
Verzeiht mir, dass ich nun die 6 Seiten seit meinem letzten Post nicht gelesen hab, das werd ich aber noch nachholen.
Auf die Frage von Jörg, wie Spiele sich weiterentwickeln können möchte ich aber mal eben noch antworten:
Ich sehe da 3 Eckpfeiler:
1. Stärkere Emotionale Einbeziehung des Spielers.
Warum sind z.B. ICO, Shadow oder Braid Spiele, von denen man auch nach Jahren noch spricht?
Weil sie durch die Art ihre Geschichte zu erzählen etwas besonderes sind. Alle 3 Spiele haben eines gemeinsam: Sie haben keine klare Aussage sondern lassen viel Spielraum für Interpretationen. Auf die Art kann sich jeder, der für diese Art Erzählung empfänglich ist in ihnen wiederfinden. Es braucht in der Strand-Szene am Ende von ICO, wenn man Yorda wiederfindet keine Worte um die Beziehung der beiden Charaktere zu vermitteln. Ähnliches trifft auf Wanda und die Kolosse zu: Dass man nicht der Gute ist, wird bis zum Schluss nicht wirklich klar, dennoch merkt man bei jedem Koloss, wenn er endlich zu Boden geht, dass da neben der Euphorie, die der spannende Kampf ausgelöst hat auch noch etwas anderes ist: Schuld.
Auch der letzte Level aus Braid geht einen ähnlichen Weg. Zuerst wirkt es, als wenn man die Prinzessin aus den Klauen des Bösewichts retten wolle - spult man dann zurück entsteht ein vollkommen anderer Eindruck. Plötzlich ist man selbst der Böse.
Diese Erzählweise aus Andeutungen hat einfach viel mehr Potential, den Spieler zu berühren, als eine bis ins Detail vorgekaute Geschichte.
Ähnliches findet sich ja auch in der Musik wieder. Das Stück
Kanon in D-Dur von Pachelbel ist aus demselben Grund ein zeitloses Werk, das in fast jedem Menschen etwas anspricht. Ohne Texte wird hier allein durch die Komposition ein Nerv getroffen, und in den meisten Menschen wird dadurch eine ganz bestimmte Emotion geweckt.
2. Künstliche Intelligenz.
Damit meine ich nicht zwangsläufig schlaues Verhalten im Kampf, sondern eher Dinge wie sie in der Milo-Demo zu sehen waren. Auch wenn diese vermutlich nach wie vor sehr eingeschränkte Möglichkeiten bietet, ist das was die Demo suggeriert hat ein Fenster, das unbedingt geöffnet werden sollte. NPCs die nicht nur auf die Dinge reagieren die ich in der Spielwelt tue, sondern die auch auf mich als Spieler reagieren.
Beispielsweise könnte ein NPC in einer Situation in der es darum geht unter Zeitdruck eine bestimmte Aufgabe zu lösen beruhigend auf mich einreden, wenn ich hektisch auf den Knöpfen herum hämmere oder umgekehrt versuchen mich anzutreiben wenn ich mir zu viel Zeit lasse.
und 3: Eine Welt die ich verändern kann.
In Ansätzen findet sich das in einigen Spielen ja schon. Sei es Fallout 3 (Megaton) oder WoW Lich King (Blutritter-Startgebiet & Eiskronenzitadelle).
Aber bei allen Spielen die so etwas anbieten gibt es meist nur 2 oder 3 Möglichkeiten, auf welche Art die Welt sich anschliessend verändert hat.
Erst heute habe ich mich bei Dragon Age geärgert. Mein Charakter dort ist ein kastenloser Zwerg, stammt also aus Orzammar. Heute habe ich die Questreihe rund um den neuen König der Stadt beendet. So lobenswert es auch ist, dass ich den einen oder den anderen Anwärter auf den Thron setzen kann, so ernüchtert war ich, dass meine Herkunft bei dem gesamten Aufenthalt in der Stadt keine Rolle gespielt hat.
Warum nicht? Warum spricht mich der neue König (Harrowmont) nicht auf meine Herkunft an, warum sagt er nicht sowas wie: "Ihr habt bewiesen, dass ein kastenloser Zwerg mehr Ehre im Leib haben kann als ein Prinz, vielleicht sollten wir das Kastensystem einmal überdenken und eine Änderung herbeiführen"?
Das wäre natürlich kein wirklicher Fortschritt gegenüber den Möglichkeiten, die sich z.B. in Fallout bieten, aber warum hat man da so kurz gedacht?
Das ist einfach symptomatisch für die bisherigen Umsetzungen der Idee einer dynamischen Spielwelt.
Alle drei Punkte laufen auf das selbe Ziel hinaus: Man böte dem Spieler eine stärkere Emotionale Bindung zu den Charakteren und der Spielwelt.
Wenn es mir als Spieler nicht mehr egal ist was passiert, sondern fiktive Personen und eine fiktive Welt es schaffen, Emotionen wie Schuld, Trauer, Beschützerinstinkt, Mitleid und Melancholie zu wecken, neben den bereits etablierten wie Spannung, Angst und Spaß, dann machen Spiele einen Schritt auf dem Weg nach vorn.
Ein Film wie Million Dollar Baby kann Dir nur deswegen das Gefühl eines Faustschlags in die Magengrube geben, weil Dir seine Charaktere nicht egal sind, weil Du Dich mit ihnen freust, mit ihnen leidest und mit ihnen fieberst.
Genau das ist es, was Spiele bisher nur ganz selten schaffen. In Ico machst Du so viel mit Yorda durch. Das ganze Spiel über dreht sich alles nur um sie. Das wird optisch unterstrichen: durch die Animationen, ihr unbeholfenes Tapsen und ihre Angstschreie wenn die Schergen der bösen Königin sie davon tragen. Sie wächst Dir im Laufe der Zeit ans Herz, wird zu einem echten Charakter und sie bedeutet Dir als Spieler etwas. Ich habe die Schattenwesen regelrecht zornig bekämpft, um das kleine strahlend weiße Mädchen zu beschützen. Und ich war am Ende geradzu bestürzt, als sie Ico ins Boot gesetzt hat und allein zurück blieb. Als ich sie dann am Strand wiedergefunden habe, hat das Glücksgefühle ausgelöst.
Das ist es, was hängen bleibt, was fasziniert und warum der Titel über die Jahre nichts von seiner Faszination eingebüßt hat.
Das ist eine Schiene, die immernoch viel, viel zu selten gefahren wird; möglicherweise aber auch deswegen weil es einen echten Regisseur braucht, um so etwas auf den Punkt zu bringen. Jemanden, dessen Ziel es nicht ist, ein Spiel zu machen, das die Aktionäre bedient, sondern eines, das eine Seele besitzt und dadurch unvergesslich wird.
edit: Ich hab vergessen, noch eine wichtige Sache zu nennen: Moral.
Gib mir die Möglichkeit mich für eine von mehreren Parteien zu entscheiden, die gegenläufige Ziele haben. Statte diese Parteien mit Charakteren aus, die mich als Spieler wirklich interessieren und ich stehe vor einem echten Dilemma.
Ich komme gerade drauf, weil ich nochmal Korrektur gelesen hab und dabei dran denken musste, wie schwer mir die Entscheidung in Fallout 3 gefallen ist, wie ich mit Tenpenny Tower verfahren soll.
Die Ghule da sind Menschen wie jeder andere auch, bloß Opfer der Strahlung - bedauernswerte Seelen im Grunde. Die ersten normalen Menschen die ich im Turm getroffen habe, waren menschenverachtende Geldsäcke und ich habe sie spontan gehasst und dachte: ich helfe den Ghulen. Dann bin ich im ersten Stock dem Wasteland-Veteranen dort begegnet, der ein sehr netter Kerl war, eine gute Seele. Plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher und steckte in einer moralischen Zwickmühle. Das Ganze war doch nicht so schwarz/weiß wie ich zunächst gedacht hatte und das hat es mir wirklich schwer gemacht.
Am Ende hab ich übrigens den Ghulen geholfen, weil ich Tenpenny selbst wirklich gehasst hab, um die guten Menschen im Turm tat es mir trotzdem leid und ich hab beim Weiterspielen später mehr als einmal drüber nachgedacht, ob ichs nicht vielleicht anders hätte machen sollen.
(Die Option zwischen den Parteien zu vermitteln war leider hinfällig, nachdem Sergeant RL-3 in der Lobby eine Schießerei mit der Sicherheitsmannschaft angefangen hatte und dabei eine Schlüsselperson großflächig im Raum verteilt wurde -.-)