4P|T@xtchef hat geschrieben:
Egal ob Shooter, Rollenspiel oder Action-Adventure - sie laufen nach dem Muster der zerstörerischen Aufrüstung ab. Neue Waffen, neue Monster, neuer Level, neue Fähigkeiten. Spaß ist levelisiert, skillisiert und monsterisiert. In der gesamten Branche herrscht die Philosophie der Eroberung. Soldaten, Killer, Helden und Generäle werden satt. Aber was ist mit dem Abenteurer, dem Entdecker?
Schön, dass du bei den drei Genres aufhörst. :wink: Kann man Adventures nicht als die Spielform sehen, die den Entdeckertrieb in uns weckt? Wobei es sich dabei meist um das Finden von Gegenständen geht und eine Story das alles zusammenhält. Zugegeben, ein Adventure, dass sich hauptsächlich auf die Erkundung eines Raumes bezieht, hat es noch nicht gegeben, oder? Ich bin mir da etwas unsicher, da dass nicht so mein Genre ist.
Außerdem könnte man Aufbaustrategiespiele a la Anno doch zu dieser Sparte von Spielen zählen, die den Entdeckertrieb in uns wecken. Natürlich in einer anderen Perspektive, aber vom Prinzip her tun sie das.
4P|T@xtchef hat geschrieben:Das Kuriose ist: Dieses Ungleichgewicht ist keine Krankheit der modernen Spielewelt, die von bösen Publishern forciert wird, sondern ein kulturgeschichtliches Phänomen. Selbst vor mehr als hundert Jahren dominierte der Eroberer das Geschehen, während der Entdecker eher stille Erfolge feierte. Ein gutes Beispiel bieten die Zeitgenossen Napoléon Bonaparte (1769 - 1821) und Alexander von Humboldt (1769 - 1859), zwei lebende Gegensätze. Was sagte Humboldt über Napoleon: "Er war voller Hass gegen mich."
Dabei musst du auch bedenken, dass einem Entdecker immer ein Eroberer gefolgt ist. Zumindest ist das eines der bestimmenden Aspekte der (nicht nur) westlichen Kultur, die uns auch technisch in die heutige Zeit katapultiert hat. Nicht zu vergessen, dass das heutige Amerika auf diesen Tatbestand basiert! Ohne Eroberer würde der Kontinent und die Welt ganz anders aussehen. Von daher scheint es nur offensichtlich, dass die meisten Spiele sich damit beschäftigen.
4P|T@xtchef hat geschrieben:Wollen wir das nicht auch, wenn wir PC oder Konsole anschmeißen? Abenteuerlust? Diese magische Mischung aus Neugier und Entdeckerdrang wird noch viel zu selten befriedigt. Vielleicht müssen sich einige Entwickler einfach wieder an die Magie des Entdeckerzeitalters wagen und eine Terra Inkognita schaffen, die uns eher mit Unerwartetem verblüfft, als mit Altbekanntem füttert.
Ich finde das sehr schwierig, weil es eventuell zu schnell langweilig werden könnte. Es müsste ja eine recht große Karte sein. Und was will man dann dort entdecken. Und vor allem, was soll dabei unerwartet sein? Pflanzen? Beschaffenheit der Welt? Tiere? Humanoide Wesen? Im Prinzip alles schon dagewesen.
Um mal den Gedanken weiterzuspielen: Ich lande auf einem fernen Kontinent/Planeten. Vorsichtig steige ich aus dem Schiff, schaue mich um, vergewissere mich, ob mir Gefahr droht. Die Mannschaft folgt langsam, nachdem ich grünes Licht gegeben habe (könnte auch umgekehrt sein, sprich man steigt erst aus dem Schiff, wenn angezeigt wird, dass keine Gefahr droht). Nachdem das Lager also aufgestellt wurde, kann sich das Alter Ego auf Erkundungsreise begeben.
Was passiert nun? Stundenlanges schleichen durchs Unterholz? Klingt nicht sehr einladend (vor allem, da man nichts riechen oder anfassen kann. Das sind ja die großen Spannungsmomente für den Entdecker. Wie ist die Beschaffenheit? Proben nehmen, etc.). Nun passiert etwas, womit man rechnen muss(te): man begegnet einem fremdartigen Wesen (ob Tier oder Humanoid ist ja erstmal zweitrangig). Hier folgt die nächste Schwierigkeit. Wie geht man mit der Situation um? Ich weiß nicht, ob die Technik schon weit genug ist, dass sich das Spiel den freien Entscheidungen des Spiels anpassen könnte (wohl eher nicht). Aber viele Möglichkeiten gibt es da nicht. ^^
Die wahrscheinlich entscheidende Frage ist hier in meinen Augen, ob die Technik sowas "authentisch" darstellen kann. Zum einen was die Interaktion mit Objekten betrifft. Ich müsste dann mit allen Dingen, die präsentiert werden, interagieren können. Zum anderen ist der Aspekt des Unerwarteten derzeit nicht möglich, weil in diesem Sinne die KI-Forschung nicht weit genug ist.
Eine Art Anno als Third-Person-Adventure ohne einen großen Strategieaspekt wäre aber sicher interessant. Oder eben als Indiana Jones (wobei dort auch oft geschossen wurde :wink: ).
jiyu hat geschrieben:Sonst noch Vorschläge zu Klappspaten-Spielen?
Im Prinzip sind die Sandbox-Spiele am besten dafür geeignet. Nicht umsonst wurde der Name gewählt, oder? :wink: Aber auch sonst ist es in sehr vielen Spielen (begrenzt durch die Möglichkeiten der Spielmechanik) möglich. Caillois wurde ja auch schonmal angesprochen (für den Wake-Effekt, ich hoffe ich nehme nichts vorweg
): er unterscheidet zwischen
paidia (man kann auch den von Sutton-Smith verwendeten Begriff des
play aufführen, also mehr oder weniger hemmungsloses herumtollen, improvisieren etc.) und ludus (Sutton-Smith
game, ernsthafte Übung, Regelhaftigkeit etc.) (Sutton-Smith eher im übertragenen Sinne betrachten, nicht als Synonym). Es liegt als auch am spieler selber, ob er den Regeln strikt folgt oder ob er seiner Lust folgt.
@duder und crackajack
Ich sehe es genauso. Beinahe in jedem Spiel (Ausnahme wäre u.a. Tetris) ist der Erkundungstrieb enthalten. Das Hauptaugenmerk liegt aber auf der Action, weswegen man das nicht so auf dem Schirm hat.
Wulgaru hat geschrieben:Spielen wir Videospiele denn wirklich um zu entdecken? Um Abenteuer zu erleben?
Sind Videospiele nicht im eigentlichen Sinne die Verkörperung der romantischen Realitätsflucht?
Ist Humboldt nicht auch seiner Realität entkommen, in dem er auf Reisen ging? In diesem Sinne lässt sich das doch auch als Realitätsflucht bezeichnen. Ich glaube nicht, dass er gerne am Hofe war sondern das er seinem Alltag viel lieber entfliehen wollte.
Und auch Abenteuer an sich sind eine Form von Alltagsflucht, egal ob die Leute nun virtuelle Welten retten, kleine Flugzeugmodelle zusammenbauen oder mit einem Seil am Fuß von einem Kran springen.
Wulgaru hat geschrieben:Und wenn wir das zu Ende denken, wir wollen aus bestimmten Gründen aus der Realität fliehen, sind aber inkonsequente Wesen und landen doch wieder nur bei dem was man dann wohl "Levelschlauch" nennt, weil wir uns im Grunde dort und nirgendwo anders wohl fühlen, nämlich in der Fremdbestimmung.
Wo siehst du denn die Inkonsequenz? Weil die Entscheidungen, die der Spieler treffen kann, teilweise haarklein vorgegeben sind? In dem Punkt kann ich dir recht geben. Du musst allerdings berücksichtigen, dass "Held sein" sich schon vom Alltagsleben abgrenzt, egal wie vorgegeben die Pfade sind. :wink:
Die Fremdbestimmung ist ein wichtiger Teil, finde ich. Denn auch wenn es die Möglichkeiten einschränkt, es schafft Sicherheit. Allein schon das man weiß, dass das spielerische Handeln keine Konsequenzen auf die Realität hat, gibt einem die Möglichkeit zum experimentieren.
Zuviel (spielerische) Freiheit kann auch überfordern. Wenn ich mir vorstelle, ich würde in eine Spielwelt geschmissen und wüsste nicht, was ich machen sollte... Das wäre definitiv nicht so meins.