Fiddlejam hat geschrieben:Der Begriff Blues kommt bekanntermaßen von "to feel blue" = traurig sein.
Wenn man also sagt "Die Schwarzen haben den Blues im Blut." bezieht sich das nicht nur auf die Musikrichtung, sondern viel eher auf die traurige Geschichte der jahrelangen Unterdrückung und bis heute andauernden Diskriminierung. Das Statement ist dadurch nicht wirklich rassistisch, da es eben kein komplett positives oder negatives Bild zeichnet wie "die edlen Wilden" oder "die blutrünstigen Indianer".
Das etwas 'komplett positiv oder negativ' dargestellt wird, ist ja auch nicht das Problem, sondern, wie ich oben bereits schrieb, daß soetwas zur "Kultur" bzw. "Identität" gerinnt. Und, was Wigggenz ganz richtig darstellt:
Wigggenz hat geschrieben: Du kannst, wenn es um potentiell beleidigende Äußerungen geht, nicht mit dem etymologischen Weg ankommen, da es einzig darauf ankommt, wie etwas aufgenommen wird.
Ich würde nur bestreiten, daß es darauf ankommt, wie es 'wahrgenommen' ("aufgenommen") wird, das ist mir (ähnlich wieder Ansatz von Sow) zu subjektivistisch.
Richtig daran finde ich, daß wir hier wenn schon von Begriffen reden, die eine Geschichte haben, und nicht von Wörtern, die eine bloße Etymologie besitzen. D.h. den Begriff muss man durch seine historische und gesellschaftliche Einordnung beurteilen und nicht, wo er ursprünglich einmal herkam. Deswegen schrieb ich auch, daß es durchaus rassistische Elemente hat, von "Blues im Blut" zu schreiben, weil es zwar auf die diskriminierende Geschichte der Schwarzen verweist, diese aber auch gleichzeitig selbst verlängert durch die Behauptung, dies sei eine "Schwarze Musik".
Sehr lesenswert dazu und erfreulicherweise seit ein paar Jahren auch auf
deutsch komplett online vorhanden:
Autobiography of an Ex-White Man von Walter Benn Michaels. Die amerikanische Version ist viel einfacher zu verstehen, wenn man der Sprache mächtig ist, aber es gibt sie wohl leider nicht vollständig im Internet.
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EDIT:
SardoNumspa hat geschrieben:Nach manchen Definitionen (es gibt ja sauviele aus allen möglichen Disziplinen) schließt sich "positiv" und "Rassismus" tatsächlich kategorisch aus, denn die wahrgenommenen oder zumindest behaupteten rassisch-biologischen oder kulturellen Unterschiede werden nach diesen Definitionen immer zum Nachteil des "Anderen" gebraucht, um sich selbst zu erhöhen und den anderen zu erniedrigen. ABER: Wenn man sich die dahinterstehenden Denkmuster anschaut, dann ist sowas wie "positiver Rassismus" gar nicht mal abwegig. Man kommt da vielleicht mit den etwas moderneren Begriffen Xenophobie (Fremdenfeindlichkeit) und Xenophilie (Fremden"freundlichkeit") etwas besser zurecht. Dabei will ich beides nicht über einen Kamm scheren. Xenophilie ist mir tausendmal lieber, ist viel weniger zerstörerisch und kann auch Auslöser für tiefergehendes kulturelles Interesse sein. Ab einem gewissen Ideologie-Grad können sich aber beide Denkmuster durchaus ähneln.
Bezüglich der 'vielen Disziplinen' und dem kategorischen Ausschluß von 'positiv' und 'Rassismus': Es ist ja dann das Problem der Theorie, wenn diese die wirklichen Verhältnisse nicht zu fassen vermag. Wenn also die Wirklichkeit sich widersprüchlich gibt, ist es nicht die Aufgabe der Theorie, sich diese widerspruchsfrei zurechzubiegen.
Bezüglich Fremdenfeindlichkeit/Xenophobie: Der Begriff ist mir nicht spezifisch genug. Man mag ihn verwenden, wenn es um solch simple Wir-DieAnderen-Dichotomien gehen mag, aber das erklärt erstmal nicht viel. Also auch nicht, warum Rassismus immer bestimmte Inhalte annimmt. Es erklärt lediglich die Form. Xenophilie ist mir auch nicht tausendmal lieber, denn m.E. ist beides jew. eine Seite derselben Medaille, das eine gibt es nicht ohne das andere. Die Phobie mag im individuellen Fall 'zerstörerischer' sein (ich will lieber für gutes Tanzen gelobt werden, als mit einem Baseballschläger durch die Straßen gejagt), aber gesamtgesellschaftlich fußt beides auf denselben Mustern von Welterklärung...