mr archer hat geschrieben: ↑17.01.2018 10:59
4P|T@xtchef hat geschrieben: ↑17.01.2018 10:42
Wird das aufkommende tschechische Nationalbewusstsein thematisiert?
Wie schon geschrieben, wäre ich mit solchen Sätzen sehr vorsichtig. Was heißt "Nationalbewusstsein" im 15. Jahrhundert?
Die Kritik daran, im spätmittelalterlichem Zusammenhang mit Begriffen wie "Nationalbewusstsein" zu hantieren, ist sicher berechtigt, hat Jörg ja auch eingeräumt. Innerhalb der aktuellen Debatte würde ich das aber eher als historische Spitzfindigkeit betrachten, stellt sich hier doch weniger die Frage nach tatsächlichen historischen Identifikationsprozessen, als vielmehr nach einer möglichen Instrumentalisierung historisierender
Verklärung zur Legitimierung
heutiger Ideologien. Denn dazu braucht es ja überhaupt keine wie auch immer geartete, historisch verbriefte Spielart von Nationalbewusstsein als Vorlage oder Anknüpfungspunkt, ein grobes Zerrbild reicht vollkommen aus: Beispielsweise stand bzw. steht bei Nazis wie Neonazis das Germanentum als pseudo-historischer deutscher "Gründungsmythos" bekanntlich hoch im Kurs, auch wenn die Germanen mit "Nation" überhaupt nix am Hut hatten. Andererseits natürlich umso wichtiger, dass Ihr deutlich auf den groben Revisionismus solch fehlgeleiteter Bezugnahmen hinweist.
Inwieweit sowas bei Kingdom Come überhaupt der Fall sein könnte, bleibt natürlich abzuwarten, aber angesichts von Vávras Begriff von PR schadet ein kritisches Augenmerk auf die Möglichkeit solcher Lesarten sicherlich nicht. Was keineswegs heißen soll, irgendwelche Vorverurteilungen - oder überhaupt Verurteilungen - vorzunehmen (Letzteres nur zur Beruhigung der versammelten Selbsthilfegruppe der Opfer linker Meinungsdiktatur). Wer sich auf die Werksebene konzentriert, verurteilt ja in aller Regel nicht
jemanden, auch wenn er das Werk noch so scharf kritisiert. Umgekehrt kann man bei Vollzug einer solchen Trennung, wie aus unserem lauschigen Satansthread hinlänglich bekannt, auch das Werk eines, um mal in der Sprache unserer Zeit zu bleiben, absoluten Premium-Husos durchaus genießen. Halte das ebenfalls nach wie vor für den reflektiertesten und gleichzeitig am wenigsten hysterischen Ansatz.
Ob man eine solche Trennung vollziehen möchte, bleibt jedoch eine sehr persönliche Angelegenheit. Ich selbst mache das, höre z.B. auch gerne Burzum, aber ich kann jeden verstehen, der das anders sieht. Ich fand es auch sehr begrüßenswert, wie hier im Thread die Vertreter einer Nicht-Trennung zwischen Künstler und Werk dies jeweils als ziemlich subjektiven Standpunkt dargestellt haben ("Für mich...", "Ich finde...", etc.). Die Empörung kocht da abermals eher woanders über, nämlich bei denen, die aufgrund eines Artikels in einem kaum bekannten und wenig relevanten Blog mal wieder über den Linksruck des Abendlandes lamentieren.