Wenn die Gewaltdarstellung als Teil einer Marketingstrategie eingesetzt wird, bin ich auch dagegen, ansonsten kann ich deine Argumente eher nicht teilen. Ich kann verstehen, wenn einem Last of Us zu brutal ist, denn auch ich habe mir damals als der erste Teil erstmals vorgestellt wurde, gedacht, dass nun der Bogen schön langsam überspannt ist, denn mir war das gezeigte viel zu brutal. Dieser Eindruck hat sich dann beim Spielen für mich aber nicht bestätigt, ganz einfach weil es einen Unterschied macht, ob das Blut nun spritzt weil es "cool" ist, oder ob es spritzt, weil es etwas zur interaktiven Erzählung beiträgt. Die Präsentation damals auf der E3 war ja sicher auch ein wenig auf cool gemacht und mich hat das eher abgeschreckt, denn kommerzielle Interessen in ein Kunstwerk einzubauen halte ich in fast allen Fällen für einen Fehler.Tl0v-Kaba hat geschrieben: ↑29.05.2020 23:42Danke für die Antwort. Das ist etwas dran, wobei ich dieses Totschlag-Argument "Moralapostel" schon wieder etwas abgedroschen finde. Selbstverständlich gehört Gewalt und ihre Darstellung zu Kunst und Kultur, immer schon. Und in satirisch abgefederter Form auch schon seit langem zu Videospielen (Doom = "Gewalt-Porno").4P|T@xtchef hat geschrieben: ↑29.05.2020 09:35Es braucht Gewalt als Stilmittel - das ist das Argument. Sie kann aber nichtsdestotrotz überzeugend oder plump eingesetzt sein. Ihr Vorhandensein ist natürlich kein Qualitätsmerkmal. Es kommt darauf an, wie etwas dargestellt wird.
Aber "Gewalt-Pornos" gehören zur Spielewelt. Auch die können einfach schlecht sein oder richtig geil. Man kann sie für sich ablehnen, aber jeder, der sie per se als verwerflich einordnet und ihre Verurteilung in einer Kritik verlangt, ist kein Spieler, sondern Moralapostel.
Trotzdem beharre ich darauf, dass ihre quälend exzessive, realistische Darstellung keinen Mehrwert besitzt, weder in Spielen noch in Gore-Streifen, noch in Literatur. Ich frage mich bei dieser Diskussion manchmal, welche "Fratzen" welcher Abscheulichkeiten wir noch mit weltmännisch-aufklärerischem Impetus präsentieren wollen? Möglichst nah dran! Kriegsgräuel? Kindesmissbrauch? Was soll das? Es gibt Dinge, deren "künstlerische" Expression sich hier sicherlich niemand wünscht.
Ich bestreite überhaupt nicht, dass in TLoU2 möglicherweise eine narrative Qualität zum Tragen kommt.
Für mich ist das Spiel aber aus verschiedenen Gründen inakzeptabel, obwohl ich den Vorgänger sehr gelungen fand und gerne spielte.
Jeder soll konsumieren, was er möchte. Ich finde es nur schade, wenn man manchmal den Eindruck haben muss, dass explizite Gewaltdarstellung offenbar ganz gezielt als Teil einer Marketingstrategie eingesetzt wird.
Ich möchte dir jetzt nicht auch unterstellen dass du ein Moralapostel bist, aber ich möchte unterstellen, dass deine These, dass quälende, exzessive und realistische Gewaltdarstellungen keinen Mehrwert besitzen können, grundsätzlich nur falsch sein kann. Wieso?....Nun ja, einfach weil dass schon viel zu ungenau formuliert ist. Dass es in den meisten Fällen, ja vielleicht sogar in fast allen Fällen(im Videospielbereich) sein kann, möchte ich nicht leugnen, aber das allen Werken zu unterstellen kann ja eigentlich nur falsch sein.
Ich denke ein Kunstwerk zeichnet sich mitunter durch Genauigkeit aus. Man kann das jetzt natürlich nicht verallgemeinern, weil nicht jedes Kunstwerk möchte etwas erzählen, aber wenn wir jetzt mal bei jenen bleiben, die in irgendeiner Form etwas erzählen möchten, so spielt Genauigkeit eine sehr große Rolle, denn je genauer etwas in welcher Form auch immer präzisiert/erzählt wird, desto genauer kommt das auch beim Rezipienten an. Dies ist im Sinne der Künstlerinnen und Künstler, welche ja eine Botschaft vermitteln wollen. Eine Botschaft ist aber nicht immer etwas greifbares, wie etwa der Satz: "Joel und Ellie versuchen in einer dystopischen Zukunft zu überleben", nein, eine Botschaft kann auch etwas sein, was man nicht mit Worten festmachen kann. Etwas das nur irgendwie in der Luft liegt, vielleicht auch ambivalent wahrgenommen wird und dabei eben nicht in einem Satz transportiert werden kann. Weiters denke ich, dass man sich als Künstler das richtige Transportmedium suchen muss und ich denke zB. dass die interessantesten Videospielgeschichten immer jene sind, welche mit anderen Medienformen unerzählbar sind. Auch das ist wichig und auch das ist eine Form von Genauigkeit.
Ich will aber auch nicht leugnen, dass der Umgang mit Gewalt in Videospielen oft verharmlost wird, weil ich denke, dass sich gewisse Bilder schon ein Leben lang ins Hirn einbrennen können. Man hat daher auch eine gewisse Verantwortung. Dennoch....stell dir vor du machst einen Film. Dieser Film funktioniert wie ein Kartenhaus. Jede Karte die du aus dem Kartenhaus noch ziehen kannst, ohne dass das Haus zusammenfällt, brauchst du nicht, weil das Haus noch steht und somit dein Film noch funktioniert. Irgendwann ist dein Kartenhaus und dein Film fertig. Am Schluss sind wirklich nur genau die Szenen drin, die nicht fehlen dürfen und somit ist der Film so genau und so präzise wie nur möglich erzählt. Du hast alles was dir möglich war dafür getan damit die Botschaft so ankommt, wie sie ankommen soll(ob es überhaupt möglich ist dass eine Botschaft in irgendeiner Form korrekt ankommen kann, ist natürlich wieder eine andere Geschichte).
Jedenfalls, wir sind fertig mit dem Film, aber dann kommt plötzlich eine Person und sagt Szene X ist ..................(zu brutal, zu sexuell aufgeladen, zu bunt, zu farblos, zu...was auch immer) und gehört raus denn es bietet keinen Mehrwert für die Geschichte. Du würdest dich bestimmt ärgern, denn du hast den Film mit größtmöglicher Präzision erzählt und alles ist genauso drin, wie es für den Film am besten ist. Deiner Meinung nach kann die Geschichte oder die Botschaft die vermittelt werden soll nicht besser erzählt werden. Genau diesen Anspruch stelle ich an jedes Kunstwerk und genau diese Präzision erwarte ich von allen Künstlern und wenn man diesem Anspruch nicht gerecht wird, weil man vielleicht kommerzielle Interessen vor den inhaltlichen verfolgt, so bin ich der erste der das kritisieren wird. Ich sehe es aber trotzdem als die Pflicht von KünstlerInnen an, das erzählen in Form von Genauigkeit so kompromisslos wie nur möglich anzugehen. Sobald nämlich das verloren geht, verliert die Kunst auch ihren Wert, also zumindest meiner Meinung nach.
Ob sich nun Last of Us 2 als zu brutal erweist wird sich noch zeigen. Ich hoffe und erwarte jetzt von Druckmann und Co. aber nach all der langen Zeit schon auch hier Genauigkeit. Ob die Brutalität letztlich wie eine Karte im Kartenhaus funktioniert, welche man problemlos rausziehen hätte können, wird sich noch zeigen. Aus deiner Sicht kann man sie vermutlich problemlos rausziehen, weil was macht es gameplay- oder storytechnisch schon für einen Unterschied? Es wird sich gleich spielen und der Informationsgehalt wird mehr oder weniger derselbe sein, wenn plötzlich keine Blutfontäne mehr aus dem Hals ragt. Allerdings geht es für mich hier wieder darum, welche Botschaft vermittelt werden soll. Wie schon oben beschrieben...nicht alles lässt sich mit einfachen Sätzen erzählen. Für mich ist es ja die Stärke von interaktiven Erzählungen, dass sie so unglaublich immersiv sein können. Wenn Immersion etwas erzählt ist das wunderbar. Last of Us 1 hat mir(zumindest im höchsten Schwierigkeitsgrad) auf seine eigene Art erzählt, wie sich das Überleben anfühlt. Ich war nervös, wütend, ich habe geschwitzt, ich war verzweifelt und, und, und....The Walking Dead im Fernsehen hat mir auf seine Art eine ähnlich Geschichte erzählt, aber was mir meine Gefühlszustände erzählt haben, war völlig unterschiedlich. Genau das macht es für mich aus. Beide Erzählformen haben ihre Qualitäten, wobei ich die von Last of Us insgesamt schon deutlich besser fand.
Warum ich Naughty Dog vorerst vertraue ist auch aufgrund von folgender Szene. Im State of Play schleicht sich Ellie von hinten an eine Person mit Kopfhörern an. Sie möchte sie nicht töten, aber plötzlich versucht die andere Person sie zu töten. Ellie erschrocken verteidigt sich blitzschnell und rammt ihr das Messer in den Hals. Das Blut spritzt. Ich bin schockiert und irgendwie ein bisschen angewiedert. Ich bilde mir ein Ellie sah auch angewidert aus, aber abgebrüht wie sie ist, kommt ihr nur über die Lippen dass das ein dummer Fehler vom Gegenüber war.
Mir erzählt diese Szene in dieser kompromisslosen Brutalität mehr, als was es erzählen würde, wenn ich keine Blutfontäne gesehen hätte. Die Szene wäre ansonsten eher an mir vorbeigegangen. Man erinnere sich, Ellie war ein paar Jahre davor ja noch dieses unschuldige kleine Mädchen. Sie tötet nicht wahllos, das ist ihr von früher geblieben, aber ihr Blick ihre Wut und ihre Brutalität erzählen uns mehr. Ich sage, hier hast du ein Beispiel wo Gewalt einen inhaltlichen und erzählerischen Mehrwert bietet.