Usul hat geschrieben: ↑13.06.2020 21:15
Gesichtselfmeter hat geschrieben: ↑13.06.2020 21:04Wenn bei einem Kill Bill 1 impliziert wird, das die im Koma liegende Protagonisten wahrscheinlich etliche Male vergewaltigt wurde
Das ist die schlimmste Tarantino-Szene (oder Sequenz oder so) in allen seinen Filmen, wie ich finde. Gleichzeitig bereitet sie aber mit den Boden vor für den Charakter der Braut bzw. was danach alles so passiert. Und diese Wirkung erreicht Tarantino, ohne daß die Vergewaltigungen explizit gezeigt werden - im Gegensatz zu so manchem "Gewaltporno". So viel zur Einteilung von Tarantino-Filmen in das Genre der Gewaltpornos.
Richtig, weil Tarantino einen erwachsenen Menschen nicht für so dumm hält, dass er ihm diese brutale Szenerie noch explizit auf die Nase binden muss:
1. B. wacht auf uns sieht anhand ihrer Handlinien, dass sie vier Jahre im Koma lag
2. Der Pfleger, der wohl auch nicht erst seit gestern in dem Hospital arbeitet, verdient sich was dazu
...den Rest kann man sich ausmalen. Muss man nicht in einer time-skip Kollage sehen...
Ohne dieses Fingerspitzengefühl wären seine Filme wohl ausschließlich als DVD-only-Releases in den hinteren Ecken einer Videothek gelandet.
Nehmen wir ein älteres Beispiel: Lawrence von Arabien. Habe ich als Kind mit meinen Eltern geguckt. Dieser Film hatte ganz ohne explizite visuelle Darstellung von Gewalt, gerade für die frühen 60er, zwei ziemlich schwer verdaubare Szenen, die ich als Kind aber gar nicht so wahrgenommen hatte, die aber heute noch mein Blut gefrieren lassen:
1. Die Szene wo Lawrence den Mann exekutiert, der ihm vorher das Leben gerettet hatte (bis hier hin noch ok) und später bekennt, dass er Freude daran hatte!
2. Die Szene, wo Lawrence in Gefangenschaft gerät, gefoltert und vergewaltigt wird. (Wird nicht gezeigt, aber der Erwachsene kann die Lücken füllen)
Jetzt kann jeder für sich entscheiden, was eher an die Schmerzgrenze geht:
a) die rein visuelle Härte: das ich z.B. zeige, wie ein Messer langsam durch Haut gleitet oder
b) die psychologische Härte: s. LvA - das Eingeständnis zur Freude an Gewalt der Hauptfigur (ein großes Thema im Film, aber umstritten in Bezug auf die tatsächliche Biographie des Mannes)- Nur mal so: man könnte diesen Film auch als einfachen Historien-Abenteur-Film betrachten, wenn diese Punkte einem nicht auffallen...
Ich würde mich nicht wundern, wenn viele Erwachsene in den 60ern diesen Subtext auch nicht so gedeutet hatten, weil zu dieser Zeit Gewalt in Medien aus gutem Grund noch sehr vorsichtig angegangen wurde und somit die Leute vielleicht anders "eingefärbt" waren. Aber nehmen wir mal an, man hat den Luxus im Leben Gewalt ob real oder in der Kunst immer aus dem Weg zu gehen - verklärt das nicht die Sicht auf die Wirklichkeit? Mal ganz reißerisch gefragt: wie wäre unser Umgang mit dem Holocaust gewesen, wenn es keine Filmdokumente gegeben hätte, die ein Geschichtslehrer dazu verwenden kann um Teenagern das wahre Ausmaß dieses Verbrechen bildlich "vor Augen" zu führen?
@ Lucas: sorry, hab den Kontext nicht gesehen
@ Paulaner: top, sehe ich genau so - großes Problem unserer Menschheitsgeschichte: wenn es nicht ausreicht das eigene Wertesystem zu "leben", sondern darin ein verkappter Pragmatismus eingebettet ist, so dass dieses Wertesystem anscheinend nur gewahrt ist, wenn ALLE es teilen.