Der Chris hat geschrieben: ↑24.11.2020 23:01Ich gehe davon aus, dass die Botschaft des Spiels eine Variation von "der Kreislauf der Gewalt kennt keine Gewinner" sein soll. So ähnlich wurde es zumindest mal behauptet. Mal abgesehen davon, dass die Botschaft als solche unfassbar trivial ist, seh ich nicht, dass man die Erzählung wirklich konsequent darauf aufgebaut hat. Die Erzählung vermittelt mir nicht das Gefühl, dass ein Charakter am Ende zu irgendeiner Erkenntnis gelangt wäre, eher dass die Erschöpfung das Ende dieses Kreislaufs markiert. Ich tu mich auch schwer eine Charakterentwicklung zu entdecken, die die Botschaft unterstützt. Ellie macht im Grunde gar keine Charakterentwicklung durch und einzig Abby gibt diesbezüglich mal ein kleines Lebenszeichen von sich. Auf Ellies Seite dagegen wird die Charakterentwicklung (in den Wahn?) sogar noch ein bisschen durch gefühlvolle Akustikgitarreneinlagen und die Fangemeinde im Schlepptau verwässert. Auch Ellies Beziehung zu Joel wird nicht stringent hergeleitet und bleibt mehr so wischiwaschi, dafür dass man die Beziehung am Ende nochmal als Motivation heraufbeschwören will.
Um Ellies Charakterentwicklung zu verstehen, muss man ihre Beziehung zu Joel verstehen. Und man muss verstehen, was sie dazu bringt, aufzubrechen.
Joel ist Ellies Ziehvater, ihr Mentor, er hat ihr Leben gerettet, sie hat ihm vertraut. Er hat dieses Vertrauen zerstört und ihr durch seinen Verrat eine Bürde auferlegt, die eigentlich unmöglich zu bewältigen ist. Sie hat einen triftigen Grund, ihn zu hassen, was sie auch tut. Aber sie liebt ihn nun mal auch wie einen Vater. Deswegen schließt sie nicht aus, ihm eines Tages zu verzeihen. Dass dies nicht über Nacht passieren kann, sollte in Anbetracht der Umstände klar sein.
An diesem Punkt geht das Spiel los: Mit einer tiefen seelischen Wunde, deren Heilprozess gerade erst begonnen hat.
Und dann kommt es zum
großen Spoiler.
Ab da an werden Ellies vermeintlich widersprüchliche Gefühle nicht nur maximiert, sondern es kommen noch weitere hinzu. Darunter ein (weiteres) Schuldgefühl, das Schlimmste von allen: der quälende, stets begleitende Selbstvorwurf, "nichts getan zu haben".
Oberflächlich betrachtet, bricht Ellie auf, weil sie eine geliebte Person rächen will. Das kann man als Wunsch nach Gerechtigkeit oder als Erfüllung einer Pflicht gegenüber der Person verstehen - so oder so, sie tut es für
jemanden.
Das ist aber nur ein Aspekt, denn Ellies Motivation ist auch sehr selbstsüchtig.
Sie wird von Schuldgefühlen geplagt, nicht eingegriffen zu haben und hofft, diese durch den Tod der Täter lindern zu können. Aber der Hass auf die Täter ist nicht nur deswegen so stark, weil sie ihr eine geliebte Person genommen haben, sondern weil sie ihr auch die Möglichkeit genommen haben, der Person zu verzeihen, den Konflikt mit ihr beizulegen, als sie noch gelebt hat.
Dass du der Meinung bist, die Beziehung zwischen Ellie und Joel würde am Ende nochmal als "Motivation heraufbeschwört" werden müssen, macht für mich deutlich, dass du die genannten Aspekte nicht wahrgenommen oder zumindest nicht miteinander verknüpft und die flaschbacks im Spiel weitestgehend ignoriert hast. Dir mag die Beziehung "wischiwaschi" vorkommen, aber der Punkt ist: Sie ist schwierig und kompliziert, eben aus den Handlungen der Akteure resultierend und dementsprechend nachvollziehbar.
Ich könnte dir jetzt vorwerfen, dass du eindimensionale Figuren bevorzugst, aber damit würde ich dir wahrscheinlich unrecht tun. Ich denke, du machst den Fehler, dass du von irgendeiner Message ausgehst, die du zu dem Spiel aufgeschnappt hast, und nun versuchst, Figuren und Story vor diesem Hintergrund zu verstehen, anstatt Schlüsse aus dem Verhalten der Charaktere sowie den Situationen, in denen sie sich wiederfinden, zu ziehen.
Deswegen kommen dir dann auch die Gitarren-Szenen vor, als würden sie nicht zur Message passen. Diese "verwässern" nicht irgendeine Botschaft des Spiels, sondern sind dazu da, die Protagonistin von der menschlichen Seite zu zeigen.